Resedagelb und Krapprot

Bekleidung mit Öko-Appeal aus der Kunsthochschule Weißensee

Das leuchtende Gelb fällt sofort auf, als Marko Fenske das schützende weiße Tuch zur Seite zieht: Auf dem Kleiderständer hängen sie dicht an dicht: Anzüge, Kleider, Jacken, Hosen, die er als Diplomarbeit an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee entworfen hat. Ein bißchen erinnert die Atmosphäre an die Spannung vor den großen Modeschauen. Neben dem strahlenden Gelb behauptet sich ein sattes Tiefblau auf den Stoffen. Auf vielen Teilen kehren Muster von aufgedruckten roten Kreuzen wieder.

Eine neue Modekollektion, alles wie gehabt, könnte man meinen. Das Besondere liegt jedoch in der Entwicklung und Herstellung der Kleidungsstücke: Marko Fenske beschäftigt sich mit Ökologie und Gestaltung an der Kunsthochschule. Besonders das Design textiler Flächen, das mit ökologischen Verfahren realisiert wird, wollte er vorantreiben. "Im Großen und Ganzen war es Forschungsarbeit", faßt er seine Erfahrungen zusammen. Bisher führte dieser Ansatz eher ein Nieschendasein. Folgerichtig stand auch die Kooperation von Textilindustrie und Textilgestaltung unter ökologischen Gesichtspunkten auf dem Plan. Zahlreiche Informationsquellen mußten im Laufe der Zeit ausfindig gemacht werden. So hat er in Kiel einen Hersteller für ökologischen Textilbinder ausfindig gemacht, der als Emulgator Krabbenschalen enthält. 5 bis 6 Kilo davon hat er als Rohmasse ohne Farbpigmente erhalten und neu gemischt, um seine Druckpasten herzustellen. Annähernd 100 Meter Stoff waren zuvor in einer Färbemaschine industriell gefärbt worden, um ein gleichmäßiges Ergebnis zu erzielen. In der Weiterverarbeitung wurden die Stoffe dann mit Mustern, wie beispielsweise dem Kreuz, im Siebdruck bedruckt. Insgesamt 8 bis 9 verschiedene Qualitäten, wie Seide, Leinen, Hanf und deren Mischgewebe standen zur Verfügung. Eine besondere Herausforderung war die Herstellung der Pflanzenextrakte, um an die Färbepigmente zu gelangen. Mit Hilfe des Umweltforschungsinstitutes in Schlieben wurden aus Reseda, Krapp, Blau- und Gelbholz insgesamt 260 Liter Färbeflüssigkeit gewonnen. "Tierisch aufwendig" sei das gewesen, so der kurze Kommentar. Und ein Gramm reines Krapp kostet im Laden immerhin stolze 28 Mark. Gleichzeitig hat er industrielle Standards wie Licht- und Waschechtheit, Reibe- und Naßechtheit erforscht. Bisher erreicht die ökologische Stoffbearbeitung nicht die herkömmlichen Standards; Ausbleichen und -waschen der Farbe ist die Regel. Doch gerade darin entdeckt Marko Fenske eine eigene Qualität: "Bei Jeans ist das Auswaschen ja sogar gewünscht. Warum nicht auch bei anderer Kleidung?" Auch Leder wird erst schön, wenn man die Gebrauchsspuren sieht.

Mit den fertigen Stoffen hat er sich dann in die Modehochburg Italien begeben, um in Como mit einem Modedesigner Schnitte und Outfits zu erarbeiten. Naturaufnahmen mit Video und deren Verfremdungen im Computer wurden für ein Videoclip erstellt. Die abschließende Präsentation der Kollektion wird nun von einer Videoprojektion begleitet.

Neben aller Pionierarbeit im verfahrenstechnischen Bereich hat Marko Fenske seinen künstlerischen Ausgangspunkt im Auge behalten: In wie weit kann man mit Pflanzen und Erdpigmenten etwas Ästhetisches erreichen: schöne und kräftige Farben entwickeln und Tonwerte setzen, im besten Falle vielleicht sogar eine eigene ästhetische Palette entwickeln? Zumindest der Verband der Norddeutschen Textilindustrie, Textilfirmen und Designer haben Feuer gefangen und veranstalteten Mitte Juni in der Hochschule ein Seminar zu diesem Thema. Vor allem im Land Brandenburg ist man daran interessiert, wieder eine Naturfaserkette aufzubauen und den Anbau von Hanf, Leinen und Färbepflanzen zu fördern. Marko Fenske wünscht sich vor allem die Umsetzung seiner Forschungsergebnisse auf professioneller Basis. Und als Werbe-"Träger" seiner Kleidung kann er sich ohne weiteres die Grünen vorstellen. Wo doch schon der Kanzler in Kaschmir wandelt.

Artikel: Scheinschlag Juni 1999

46_a---naturxheute-13-kopie.jpg
 Hanf/Seide - Blauholzfärbung   - Ökologischer Siebdruck 
46_a-naturxheute-2-kopie.jpg
 Seide mit Krapppigment/Siebdruck     
46_a---naturxheute-3-kopie.jpg
 Seide mit Krapppigment/Siebdruck     
46_a---naturxheute-5-kopie.jpg
 Hanf/Leinen - Blauholz/Siebdruck     
46_a---naturxheute-14-kopie.jpg
 Leinen/Hanf - Krappfärbung   - Ökologischer Siebdruck 
46_a---naturxheute-6-kopie.jpg
 Naturhanf   - Ökologischer Siebdruck 
46_a---naturxheute-15-kopie.jpg
 Hanf/Seide - Krappfärbung   - Ökologischer Siebdruck 
46_a---naturxheute-11-kopie.jpg
 Leinen/BW - Blauholzfärbung   - Ökologischer Siebdruck 
46_a---naturxheute-12-kopie.jpg
 Hanf/Leinen - Gelbholzfärbung -    - Ökologischer Siebdruck 
46_a---naturxheute-8-kopie.jpg
 Hanf - Gelbholzfärbung   - Ökologischer Siebdruck 
46_a---naturxheute-10-kopie.jpg
 Hanf/Seide - Resedafärbung   - Ökologischer Siebdruck 
46_outfits-fred---web.jpg
 Oberteil: Naturhanf mit Reseda   - Jeans: Hanf mit Gelbholz 
46_outfits-kreuz.jpg
 Krapp - Hanf     
46_outfits-kreuz--lila.jpg
 Krapp/Hanf - Blauholz/Hanf-Leinen     
46_outfits-can.jpg
 Blauholz - Hanf/Leinen     
46_a-outfits-seide2.jpg
 Krapppigment - Seide      
46_outfits-seide-kopie.jpg
 Krapppigment - Seide      
46_alle-models.jpg
 Ökologie und Gestaltung   Designerseminar 1999